Sunday, April 10, 2022

Zeitenwende: Wichtigste Aufgaben für das Nachkriegsdeutschland steht jetzt an Teil I -Erdgas

Plötzlich und für viele unerwartet bricht nur wenige hundert Kilometer von den Ostgrenzen Deutschlands der größte Krieg auf europäischen Boden aus den es seit dem Ende des zweiten Weltkriegs gegeben hat. Aktuell sind ca. 4,5 Millionen Flüchtlinge zu verzeichnen, die in Nachbarländer flohen und noch einmal ca. 6,5 Millionen innerhalb der Landesgrenzen. Ein Krieg zudem, welcher mit ungekannter Brutalität auch und gerade gegen die Zivilbevölkerung geführt wird. Zu den grausamen und verstörenden Einzelheiten soll später noch im Detail eingegangen werden, nicht um Greueltaten allumfassend aufzulisten, sondern um die Wichtigkeit der Zeitachse für europäisches, aber insbesondere deutsches Handeln zu verdeutlichen.

Die ganze Intention dieses Sonderblogeintrags -Kriegsedition- ist die Besinnung auf das Wesentliche zu fördern. Die völlige Konzentration auf die möglichst schnelle und vollständige Umstellung von fossilen Brennstoffen aus Rußland auf Alternativen, sowie (weitere) Energieeinsparungen.

Zunächst einmal ist ja bereits durch verschiedene europäische Institutionen ein „Fahrplan“ erstellt worden.

1. Abkehr von Kohle

2. Abkehr von Öl und Ölprodukten wie z.B. Diesel

3. Abkehr von Erdgas

aus Rußland.

Zunächst sei hier auf die schwierigste Umstellung für Deutschland, nicht jedoch z.B. für Polen verwiesen: Der Ersatz des russischen Gases. In Polen hingegen ist das Hauptproblem Öl, und in anderen Ländern kann die Importabhängigkeit fossiler Rohstoff wiederum anders sein. Die technischen Lösungen jedoch gelten für alle Länder gleichermaßen. Es gilt ganz allgemein Sektoren-, Länder- und Fachbereichsübergreifen zu denken und alle erdenklichen technischen und chemischen Industrielösungen anzustreben die noch halbwegs wirtschaftlich zu vertreten sind. Allerdings wird diese Aufgabe erleichtert durch die derzeit extrem hohen Energiepreise allgemein und speziell für kurzfristige Gaskontrakte. Dabei ist es nach Ansicht des Autors vertretbar den eingeschlagenen ökologischen Weg für einen gewissen Zeitraum nicht zu verlassen, aber zusätzlich auch andere Lösungen zu implementieren, welche keine CO2 Reduktion zur Folge haben, oder aber zu einem Mehrausstoß führen. Dabei sollte man immer bedenken, daß es um Ersatz der im russischen Boden liegende Energierohstoffe geht, nicht etwa um massive Erweiterungen auf der Angebotsseite. Wenn gesagt wird Sektorübergreifen, dann ist damit auch gemeint nach Möglichkeiten zur Ersatzproduktion z.B,. für noch bis mindestens 2035/40 benötigtes Benzin als Ottokraftstoff zu suchen. Wobei sowohl „Bioprodukte“ wie Ethanol als auch das aus Kohle zu synthetisierende „Leuna Benzin“ dabei in Frage kommen um auf das begrenzte Angebot an Rohöl besser reagieren zu können.

3 Erdgas

Für Deutschland sicher die schwierigste Aufgabe sich aus der starken Abhängigkeit von Rußland zu lösen. Es wurde ja durch wenig umsichtige Politik eine Importquote von aktuell ca. 55% „erreicht“, wobei es wirklich vermieden werden sollte die Vergangenheit von vor 2022 zu diskutieren, zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls. Nachdem man die Umstellung von russischen Gas erfolgreich auf den Weg gebracht hat, kann man immer noch nach „Schuldigen“ suchen. Jetzt ist es wichtig die Problematik der 55% möglichst rational zu analysieren.

Russia Probably Won’t Cut Off Europe’s Gas, Because It’s ‘Essentially an Act of War' 

[The Atlantic, 25.2.2022]

Q&A | Replacing Russian Gas Supplies in Europe: How Can Alternative Suppliers Help in 2022? [ANNE-SOPHIE CORBEAU, columbia.edu, 21.3.2022]

Can Europe survive without Russian gas? [Georg Zachmann, bruegel.org, 27.3.2022]

Can European Energy Cope with a Conflict in Ukraine? [Nikos Tsafos, CSIS, 21.1.2022]


Zunächst einmal muß man die drei Gasverbrauchergruppen unterscheiden:

3.1 Gaskraftwerke

3.2 Industrielle thermische Prozesse

3.3 Wärmeversorgung von Haushalten, Firmen, öffentlichen Verwaltungen, usw.

Die drei Bereiche machen jeweils ca. 1/3 des Gasverbrauchs aus.

Anzumerken in Sachen Relevanz für russische Exporte ist, daß zwar erheblich mehr Umsatzvolumen mit Öl- und Ölprodukten erzielt wird, dafür aber die Gasexporte hauptsächlich über Rohrleitungen nach Europa gehen und eine „Umleitung“ dieses Volumens nach z.B. China erhebliche Zeit und auch Investitionsvolumen bedürfte um z.B. von der Yamal Halbinsel bis nach China den Gastransport zu ermöglichen. Ein Export mit Schiffen in Form von verflüssigtem Gas macht derzeit nur einen Bruchteil der Volumen aus, welche über Rohrverbindungen nach Europa gepumpt werden. 

Erdölerlöse sind wesentlich größer, können aber – zumindest theoretisch – zu anderen Abnehmern per Schiffstransport umgeleitet werden, wenn kurzfristig europäische Abnehmer ausfallen. „Theoretisch“ deshalb, weil nicht alle Raffinerien beliebige Ölqualitäten verarbeiten können und weil manche Abnehmer und Transporteure gleichermaßen befürchten für die gebotene Ausweichsmöglichkeit für den Kreml ihrerseits z.B. von den USA mit Sanktionen belegt zu werden.

Nordstream 1

Diese Problematik, häufig und vordringlich angesprochen durch ukrainische Instanzen wie z.B. der für den Gastransit über das ukrainische Gasnetz zuständige Firma: Gas TSO of Ukraine LLC. Die Ukrainer verweisen dabei auf den Umstand, daß das ukrainische Gasleitungssystem derzeit auch vollständig die ca. 55 Mrd cbm/Jahr Gasvolumen ersetzen kann, welche jährlich durch Nordstream1 fließen. Es bleibt anzumerken, daß in den dt. öffentlich-rechtlichen Medien es irgendwie in den letzen Jahren vermieden wurde zu erwähnen, daß die in Betrieb befindliche Rohrleitung durch die Ostsee -Nordstream 1-, sowie insbesondere die immer wieder aufgrund diverser Widrigkeiten in der Bauphase ewähnte Nordstream 2 nicht als Zusatzkapazität bzw. Ersatz für das bereits ausreichende Rohrleitungsnetz durch u.a. die Ukraine dargestellt wurde. Die stetige Unterdrückung dieser Information, wie z.B. auch die Darstellung der „Altkapazitäten“ der über Land verlaufenden Rohrleitungen konnte somit leicht den Eindruck vermitteln, daß beide neuen Rohrleitungen durch die Ostsee „technisch nötig“ seien. Es bleibt lobend zu erwähnen, daß die zuständige ukrainische Firma trotz Kriegshandlungen auch in der Nähe der Gasrohrleitungen und trotz der täglichen massiven Umsatzerlöse für deren Feind bislang alles dafür tut um die Transportsicherheit für Gas aus Rußland nach Westeuropa zu gewährleisten. Beide Kriegsparteien haben offensichtlich kein Interesse daran, daß der Gastransit durch die Ukraine behindert wird, obwohl es bereits zu einzelnen kurzfristigen Problemen durch Kampfhandlungen bzw. durch Besetzung von Pumpstationen durch russ. Truppen kam. Die Unversehrtheit dieses Teils des ukrainischen Netzes, so argumentiert die ukrainisch Seite seit einigen Jahren kann nur dann gewährleistet bleiben, wenn dieses technisch noch weiterhin – am besten ausschließlich – zum Gastransport nach Westeuropa benötigt wird. Ein Kriegsausbruch ohne Nordstream 1 wäre sehr unwahrscheinlich gewesen. Warum der Kreml nicht bis zur kurz bevorstehenden Inbetriebnahme von Nordstream 2 mit dem Überfall auf die Ukraine gewartet hat bleibt rätselhaft, einen Krieg auszulösen nur mit Nordstream1 bleibt nur als „riskantes Manöver“ zu beschreiben.

ERDGAS „Wie werden wir Putin-frei?“ – Lautere Forderungen nach Sanktionen gegen Nord Stream 1

3.1 Die Gaskraftwerke durch andere bereits zur Verfügung stehende Kohlekraftwerke,Kernkraft(entgegen landläufiger Meinung nicht nur Grundlastfähig, wenn auch anderer Betrieb unrentabler) Ölkraftwerke, oder Umrüstung auf Ölbrenner zu ersetzen ist auch auch durch das Wirtschaftsministerium bereits erkannt worden.


3.2 Nach derzeitigen Diskussionsstand gilt insbesondere der Industriesektor als „Problemfall“, denn zum einen wird dieser gemäß Notfallplanung als erster von Netzabschaltungen betroffen sein, sollte die Versorgungssicherheit insgesamt bedroht sein, was bei einer vollständigen Einstellung aller Gaslieferungen aus Rußland einen ernsthaften Schaden an der industrielastigen deutschen Wirtschaft hinterlassen wird. Auch wenn der Anteil der Großindustrie in Deutschland an der Gesamtanzahl der Beschäftigten i.A. deutlich überschätzt wird und die Vielzahl der kleinen und mittleren Unternehmen jenseits der chemischen Großindustrie, den metallverarbeitenden Großkonzerne, den Glashütten und anderer sehr energieintensiver Großbetriebe zusammen wesentlich mehr Beschäftigte vereinigen. 

Es sei an dieser Stelle an andere "Unkenrufe" der Vergangenheit - wie der vor der Einführung des Katalysators für Automobile - erinnert. Es sollte in der dt. Industrie kein Platz für Gejammer sein, sondern Umsetzer/Anpacker für geforderte, schnelle Lösungen sind gefragt. Nicht die Bedrohung sehen, sondern die Herausforderung und Chance. 

Aber die Politik wird auch überproportional von jenen Großbetrieben durch starke Lobbyorganisationen beeinflußt. Fakt bleibt, daß viele Fertigungs- und Verarbeitungsprozesse in der Industrie auf thermischen Prozessen beruhen, welche in den letzten Jahren verstärkt auf den Brennstoff Erdgas umgestellt wurden. Fairerweise sollte man dazu erwähnen, daß es den Betrieben dabei nicht ausschließlich um möglichst günstige Energieträger ging, sondern eben auch der „Umweltgedanke“, also Treibhausgasreduzierung, eine wichtige Rolle spielte. Nicht zuletzt aus Gründen der besseren PR, wobei der als „sauber“ angesehene Energieträger Erdgas nach Einschätzung von u.a. dem deutschen DIW Instituts eben nicht nur aus deutlich geringeren CO2 Emissionen betrachtet werden sollte, sondern auch immer Methaneinbringungen in die Atmosphäre bei Produktion und Transport berücksichtigt werden muß. Zusammengenommen kommt das DIW zu dem Schluß, daß Erdgasverfeuerung in etwa so klimaschädlich ist wie das Verfeuern von Kohle. (Wenn auch deutlich weniger Ruß und andere Stoffe freigesetzt werden)

Energieversorgung in Deutschland auch ohne Erdgas aus Russland gesichert [DIW, April 2022]

Wirtschaftsexperten gefangen in der Blase

Bislang nicht behandelt in den Veröffentlichungen zum Thema „schneller Energiewende“ ist das Thema „Blasenbildung“ in Sachen Fixierung auf Aspekte der heimischen Wirtschaft, der Beschäftigung und der ökologischen Aspekte einer lange auf dem Weg befindlicher Energiewende, welche ja allesamt seit Jahren ausführlich auch publizistisch behandelt werden. Der Umstand, daß man dabei zu sehr auf den Import immer größerer Mengen russischen Erdgases setzte, wird jetzt schlagartig deutlich, aber die Wichtigkeit der zeitlichen Komponente für den Ersatz russischen Gases wird aufgrund nicht optimaler Berichterstattung dt. Medien, insbesondere aber der öffentlich-rechtlichen Nachrichten die zuviel über Flüchtlingsschicksale in Europa berichten dafür aber zu wenig über das tatsächliche Ausmaß der Brutalität der Angreifer, verkannt. Dem Historiker drängen sich unweigerlich Vergleiche mit SS Einsatzgruppen und NKWD Massaker und Zwangsdeportationen während und kurz nach dem zweiten Weltkrieg auf. Leider wenig überraschend für diejenigen, welche sich bereits eher auch schon mit Kriegstaktik russischer regulärer Truppen, Spezialtruppen, sowie Söldner beschäftigt haben. Tschechenien, Georgien, Syrien, Afrika, Krim, Ostukraine und weitere Kriegsschauplätze. Allerdings trifft es jetzt einen modernen, demokratischen Staat der sowohl dem Rechtsstaatprinzip verbunden ist, wie auch seit 2014 mit der EU immer enger verbunden ist und jetzt sogar auf dem Weg der Mitgliedsschaft ist. Man kann sagen, daß dies den Machthabern in Moskau ein Dorn im Aug war und diese nichts mehr hassen als Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und das Völkerrecht, dessen Grundpfeiler es ist keine Angriffskriege zu führen und sich Staatsgebiet der Nachbarstaaten mit Gewalt anzueignen. Eigentlich hätten die Ereignisse von 2014 schon ein vollständige Abkehr von russischen Energielieferungen bedurft, allerdings sahen das vor allem viele deutsche Politiker und Wirtschaftsführer anders. Wie gesagt jetzt ist keine richtige Zeit nach hinten zu schauen, sondern nach vorne.

Nur wenn man das ganze Ausmaß der täglich verübten Greueltaten in den eroberten Gebieten, nebst den „normalen Kriegsschäden“, wie die systematische Zerstörung ganzer Wohnviertel und Ortschaften kennt, wird erkennen, daß es auf jeden Tag ankommt um zumindest zu versuchen den Vernichtungskrieg gegen die Ukraine zu stoppen. 

Dabei hilft es schon nach Auffassung des Verfassers, daß einzelne klare und detaillierte „Fahrpläne“ verkünden bzw. Gesetzesänderungen auf den Weg bringen, welche für jeden unzweifelhaft erkennen lassen „wohin die Reise geht“ bzw. welche Importmengen in welchem Zeitrahmen ersetzt werden können. Hilfreich wäre bei dem Vorhaben sicherlich auch, wenn die politisch Verantwortlichen wie auch z.B. Firmen der Großindustrie im wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Abstand durch die Landespresseorgane angespornt Fortgangszwischenmeldungen zu veröffentlichen, um ein Hintertreiben der angekündigten Maßnahmen zumindest zu erschweren. Sicherlich werden „Bremser“ allerorten irgendwann ersetzt werden, jedoch ist wie bereits gesagt im Interesse der Opfervermeidung unglaublicher Verbrechen durch einen der weltgrößten Energieexporteure der Welt gegen den größten Staat Europas mit einer Bevölkerung von ca. 43 Millionen friedlichen Menschen (vor dem 24.2.2022, dem Tag des Überfalls) schnellstes und konsequentestes Handeln dringend geboten.

Zur gebotenen Schnelligkeit des Einsatzes von Ersatzlösungen gehört auch die Besinnung auf beschleunigte Genehmigungsverfahren wie dies zuletzt die so genannte Gigafabrik von Tesla in Brandenburg schaffte. Wobei die Batterieproduktion einfacher zu realisieren sein dürfte, als z.B. der Aufbau neuer „Leuna Werke“ für die angestrebte Kohleverflüssigung oder Werke zur industriellen Synthese anderer Gase wie Ethen, Propan, usw. Wenn man daran denkt bestimmte Produktionsprozesse räumlich zu entzerren kann man so nicht nur etwas behäbige deutsche Genehmigungsverfahren umschiffen, indem man neue Werke in strukturschwache Flächenstaaten verlegt und dann zunächst Binnenschiffe, Eisenbahntransport nutzt und später ggf neue Pipelines, oder sogar ran denkt in sehr sonnenintensiven Gegenden wie Süditalien, Südspanien, Griechenland, Nordafrika einfache, nachgeführte Sonnenspiegel zu nutzen, um so Temperaturen zu erzeugen die vollkommen CO2neutral kaum einmal von fossilen Gasbrennstoff erreicht werden können.


Gasförmiger Ersatzstoff

Es dürfte unstrittig sein, daß der Einsatz von festen oder flüssigen Brennstoffen als Ersatz für die thermische Nutzung(Verfeuerung) des Erdgases nicht in Frage kommt. Die weitere Nutzung der bereits vorhandenen Rohrleitungen, Pumpeinrichtungen und Verbrennungsdüsen sollte schon allein aus wirtschaftlichen Gründen angestrebt werden. Man sollte sich vergegenwärtigen, daß Erdgas niemals ein „Reinstoff“ ist, sondern immer ein Stoffgemisch aus verschiedenen Gasen, welche es auch in der Vergangenheit bereits nötig machte bei Mischungsänderung z.B. durch Wechsel der Bezugsquellen kleinere Anpassungen am Verbrennungssystem bzw. dessen Regelung vorzunehmen. Letztlich entscheidend für die thermische Nutzung von gasförmigen Brennstoffen wie dem Stoffgemisch „Erdgas“ ist der enthaltende Energiewert auch Heizwert genannt. Erst danach kommen andere Aspekt wie Preiswürdigkeit, Transportsicherheit, Nebenprodukte bei der Verbrennung, Verfügbarkeit ausreichender Volumen, Versorgungssicherheit, usw.

Gerade der Gesichtspunkt „Versorgungssicherheit“ ist derzeit ein Problem, nebst der Tatsache, daß man fortan nicht mehr die Kriegskasse eines aggressiven, expandierenden Imperiums befüllen möchte, welches zudem durch extreme Gewaltanwendung gegen Zivilisten bei einem unprovozierten und völkerrechtswidrigen Angriffskriegs aufgefallen ist.

„Vorsprung durch Technik“ - Diese Maxime bzw. deren Potential als zukünftige Exportchance sollte, wie bei anderen Produkten der Energietechnik aus dem Bereich der Erneuerbaren auch, erkannt werden. Alle fossilen Energieträger sind endlich und kurzfristige Anpassungen im Bereich thermischer Nutzung von Gas kann entweder eine Übergangslösung sein, oder wie im Fall von Wasserstoff schon die Endstufe klimaneutraler Hitze/Wärmeerzeugung sein. Die Versorgungssicherheit wird nach Implementierung der Maßnahmen steigen, ggf auch die Wirtschaftlichkeit. Diese neue europäische Aufgabe sollte Ansporn für Erfinder/Ingenieure sein, wie diese zu Anfang des 20. Jahrhunderts Fortschritte in z.B. der Chemie möglich waren und aufgrund der selbst gewählten Abhängigkeit vom (zunächst günstigen) Erdöl in Vergessenheit gerieten. Etwas mehr vom Erfindergeist kluger Köpfe und bitte kein „Vorsprung durch fudeln“ wie unter Herrn Winterkorn und der „Softwareanpassung“ zum austricksen von Abgastests. Gefordert sind neue oder wenigstens optimierte Prozesse im Bereich der Chemie und Physik um z.B. durch Katalysatoren oder Nachahmung von natürlichen Prozessen wie der Photosynthese aus einfachen Ausgangsstoffen Biomasse oder direkt gasförmige Kohlenwasserstoffe zu erzeugen. Methan („Erdgas“) entsteht schließlich auch bei natürlichen Faulprozessen. Die Mengen an konventionellen Biogas dürften kaum geeignet das Jahresvolumen von Nordstream1 zu kompensieren.

Erdgas aus anderen Quellen/Ländern

Im Jahr 2020 deckte die heimische Erdgasförderungrund 5,2 Prozent des Bedarfs in Deutschland; folglich müssen 94,8 Prozent importiert werden, u.a. aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Die Importe belasten die CO2-Bilanz von Deutschland.

         Quelle: Erdgas aus Deutschland [bveg.de]


>>Fracking bietet die Chance, die Erdgasversorgung in Deutschland für lange Zeit in der Zukunft zu sichern. Das hier vorhandene Potenzial ist enorm: Neben den 40 Milliarden Kubikmetern sicher oder wahrscheinlich förderbarer Erdgasreserven (Stand 12/2020) eröffnen Erdgasvorkommen in unkonventionellen Lagerstätten große Möglichkeiten. Das sind derzeit nicht wirtschaftlich förderbare oder geologisch nicht ausreichend erfasste Vorkommen, hierzu gehören:

  • - 450 Milliarden Kubikmeter technisch erschließbares Erdgas aus Kohleflözen
  • - bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter technisch erschließbares Erdgas aus Schiefergesteinen<<

Quelle: Fracking in Deutschland [bveg.de]


EXPORTS OF OIL AND GAS Norwegen [norskpetroleum.no]

Norway to supply more gas to Europe this summer [Reuters,16.3.2022]

Groningen gas field [Wikipedia]

Dutch government sets Groningen gas field production at 4.5 bcm in 2021-2022 year [nasdaq,1.4.2022]

Baltic Pipe 


LNG

Im Gegensatz zum „normalen Erdgas“ kann verflüssigtes Gas aus natürlichen Quellen mit Schiffen und anderen Transportmitteln zum Endverbraucher bzw. bis zu einer Einspeisestelle des bestehenden Rohrleitungssystems befördert werden. Nach Herstellung des bisher gebräuchlichen Gasgemischs kann ab der Einspeisung verbrauchsseitig ohne weitere Modifikationen der Brennstoff weiter genutzt werden. Durch entsprechende Terminals inklusive Regasifizierung des vorher verflüssigten „Erdgases“ ist man wesentlich flexibler in der Wahl der Bezugsquellen, auch wenn i.A. der so transportierte Brennstoff teurer ist als der über Rohrleitungen gelieferte Brennstoff. Zudem gibt es insbesondere in Deutschland das Problem, daß es noch kein Terminal gibt, um solches Flüssiggas in Norddeutschland anzulanden und ins bestehende Erdgasnetz einzuspeisen. Auch hier wurde aufgrund der vollständigen Festlegung auf zwei russische Ostseepipelines es nicht nur versäumt Reservekapazität aufzubauen, aber wenn man den Äußerungen niedersächsischer Politiker glauben darf, hat der damalige Bundesminister Altmaier den Bau in Wilhelmshaven aktiv verhindert, aber wie gesagt Zeit jetzt nach vorne zu schauen. Um keine unnötigen Duplizitäten an Informationen zum Thema LNG für Europa zu erzeugen, sei hier als weiterführende Lektüre weitere Artikel empfohlen:

FAQ-Liste LNG-Terminal in Deutschland [pdf,BMWK,6.3.2022]

Finland, Estonia eye floating LNG terminal to ensure supply [ABC,7.4.2022]

EU clinches U.S. LNG deal, brushes off Russian rouble demand [Reuters,25.3.2022]


Eines sollte allerdings klar sein LNG kann nicht alle russischen Importe ersetzen, also auch nicht mittelfristig, denn dafür müssen erst einmal neue Bezugsquellen erschlossen werden die zudem nicht über bereits bestehende langfristige Lieferkontrakte gebunden sind, sondern es muß vielmehr ein ganzer Mix aus anderen Maßnahmen her, um die Gasnachfrage in den drei Sektoren in Deutschland zu sichern auch ohne weiteren Bezug aus Rußland.

Qatar's LNG production capacity to reach 126 mln T a year by 2027, says Emir [Reuters,22.2.2022]

Keine Lieferzusage, aber gute Signale: Habeck verabredet langfristige Energie-Partnerschaft mit Katar

[Handelsblatt,22.3.2022]

LPG

Hauptsächlich im Zusammenhang mit Nutzung in Ottomotoren genanntes Gas, welches bis kurz vor der Verbrennung im Motor in flüssiger Form in dafür geeigneten Tanks gelagert wird. Die Arbeitsdrücke hierbei sind deutlich niedriger als bei CNG und auch ist keine Tiefkühlung nötig. Entscheidend aber ist hier wieder der im Gas gespeicherten Energie in Form des Heizwerts, welcher sogar höher ist als beim „Erdgas“. LPG ist zudem ein Nebenprodukt bei der Produktion von Benzin, Diesel und anderen „Crackingprodukten“ in einer Erdölraffinerie. An dieser Stelle soll dann auf die Stoffgruppe eingegangen werden unter der „Erdgas“ mit Hauptbestandteil Methan, das LPG -Propangas-, sowie weitere dieser Klasse fallen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kohlenwasserstoffe

Wasserstoff

Bereits jetzt Bestandteil der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, wird darin der Industrie der Vorzug der noch knappen verfügbaren Mengen gegeben. 

Streit mit Altmaier und Scheuer Schulze: Wasserstoff nicht an Privat-Pkw [N-TV, 4.2.2020]

Die Nationale Wasserstoffstrategie Einleitung [BMWK, 10.6.2020]

Habeck-Reise nach Abu Dhabi Wasserstoff-Kooperation mit den Emiraten [Tagesschau.de,21.3.2021]

Strategisch richtig und in der jetzigen Situation des kurz bevorstehenden Ausfalls der russischen Erdgases besonders wichtig, um weiteren Werken als dem von Thyssen-Krupp als „Ersatzbrennstoff der (nun vorgezogenen) Zukunft“ zu dienen. Wie man an dem bereits erfolgreich zur „Dekarbonisierung“ eingesetzten Wasserstoff in der Stahlindustrie sieht, wo bereits andere Werke den deutschen Vorreitern folgen, ist es ein gangbarer Weg, insbesondere wenn das Gas aus vollständig erneuerbaren Stromquellen gewonnen werden kann. Wobei im Augenblick vor dem Hintergrund des Überfalls Rußlands auf die Ukraine man es bitte nicht so genau nehmen sollte mit dem CO2 Fußabdruck des erzeugten Wasserstoffs, auch wenn es weiterhin gilt den Zubau erneuerbaren Energiequellen beschleunigt fortzusetzen. Jetzt ist „Kriegswirtschaft“ oberste Priorität, wobei die Farbeinteilung des Wasserstoffs im Augenblick jedenfalls zweitrangig ist und man bedenken sollte, daß ein Umstellung von Erdgas auf „andersfarbigen“ (als grün) Wasserstoff eine spätere Umstellung auf vollständig lupenreinen „Grünwasserstoff“ wesentlich erleichtert. 

Umwidmung von Offshore Windprojekten: Um den kurzfristig höhren Bedarf an Waserstoff zu decken bietet sich an bei noch nicht per Stromleitung ans Festland angbundenn Offshore-Projekten diese mit einem Elektrolyseur auszustatten und eine Anlandung per Transportschiff zu  ermöglichen. Dies sollte schneller zu realisieren sein, als nu Pipelines zu bauen und man ist damit wie bei LNG flexibler.  

Dieser Transport per Schiff bietet sich auch für zuklünftige Wasserstoffproduktion auf Inseln mit vulkanischer Aktivität an, wo man wie jetzt auch schon in Island Strom aus "Magmawärme" sehr kostengünstig gewinnen kann. Ggf kann man auch chemische Verfahren anwenden, wo man direkt shr hohe Temperaturen zur Wassermolekülspaltung verwendet.l       

Aluminium Smelting Costs 34% Less Than Average In Iceland [grapevine.is, 2016]

Aktuell wird gemeldet, daß die Produktion von grünen Wasserstoff jetzt in etwa ebenso teuer ist wie der Marktpreis von Erdgas, eine Parität die sich nach bisherigen Prognosen erst in etwa zehn Jahren hätte einstellen sollen.

Wasserstoffeinsatz im Hochofen: thyssenkrupp Steel schließt erste Versuchsphase erfolgreich ab [thyssenkrupp-steel.com,3.2.2021]

Der Startschuss: mit grünem Stahl Emissionen reduzieren [SWB Bremen]

Eisenhüttenstadt Stahlwerk Arcelor soll für eine Milliarde Euro umgebaut werden [RBB24,21.1².2022

So schätzt die globale Unternehmensinitiative Hydrogen Council, dass der Anteil von klimaneutral produziertem Wasserstoff am Endenergiebedarf von aktuell 2 Prozent auf 18 Prozent im Jahr 2025 steigen wird.

          Quelle https://hydrogen.thyssenkrupp.com 

Thyssenkrupp startet Wasserstoff-Gigaprojekt in Neom [ingenieur.de,15.12.2022]

Unsere Wasserstoff-Projekte [thyssengas.com]

Holzgas

Kokereigas

Deponiegas

Biomethan

An introduction to biogas and biomethane [IEA]

Einspeisevolumen von Biogas in das Gasnetz in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2020 [statista.de]


Kombination von Produktionsprozessen, Abwärmenutzung

In Industrieparks oder aber räumlich nahegelegenen Produktionsbetrieben kann man über eine Nutzung von Abwärme über Rohrleitungen zwischen den Firmen nachdenken, wobei Hochtemperaturprozesse bislang die entstehende Abwärme in die Umwelt entlassen, während etwas niedrigere Energieniveaus auch von anderen Betrieben noch genutzt werden könnten. Bis hin zu dem sehr niedrigen Niveau von 30 Grad Celsius, was man in Verbindung mit Wärmepumpen auch noch zur Heizung von schlechter isolierten Gebäuden nutzen kann oder bei bestens isolierten Gebäuden sogar ausreichend für Boden, Wandheizungen, große Heizkörper sein kann. Die z.T. erheblichen Investitionskosten für eine wirklich vollständige Nutzung von Wärmeenergie konnte und wollte niemand Betrieben verpflichtend zumuten, aber bei einer Notsituation eines bislang für unmöglich gehaltenen großen Krieges auf unserem Kontinent sollte der Staat kurzfristig die notwendigen Investitionskosten vollumfänglich übernehmen (wie auch bei allen anderen, vorher aufgeführten Umrüstkosten) und nach Beendigung der derzeitigen Krise dieses ad hoc Einsparpotential durch längerfristige „Umlage“ in Form modert höherer Unternehmenssteuern für solche Betrieb für den Steuerzahler zurück geholt werden. 

Ein ebenfalls unterbeleuchteter Aspekt ist der Umstand, daß der Staat ja bereits seit Zunahme der Spannungen und seit Ausbruch des Krieges erhebliche Mehreinnahmen aus der MwSt erhoben auf jetzt deutlich teurere fossile Brennstoffe hat. Zur Verdeutlichung hier ein Tweet des Ökonomen Bofinger:


Ein weiterer Nebeneffekt solchr Sonderinvestitionn ist anzunehmende höhere Beschäftigung für das ausführende Baugewerbe und Handwerk, sowie nach Gewerkeausführung wirtschaftlicherer Betrieb der Produktionsanlagen, sowie von Verwaltungs-, Produktions- und Lagergebäuden. Schon in der Vergangenheit war es üblich Industriebetriebe mittels auch längerer Rohrleitungen zu verbinden um zB. Dampf oder Kohlenmonoxid oder andere Industriegase an verschiedenen Werksstandorten zu nutzen.

CO-Pipeline der Bayer AG


3.3 Beheizung des Gebäudebestands mit Erdgas

Hier zunächst ein ungewöhnlicher Vorschlag in Sachen Einsparungen durch Gebäudeisolierung: Da in Deutschland schon seit geraumer Zeit das Einsparen von Energie von Gebäuden aller Art, aber insbesondere bemerkbar bei Neubauten seit ca. 20 Jahren, sehr eifrig betrieben wurde, zählen die deutschen Gebäude europaweit schon zu den am besten isolierten in ganz Europa, einschließlich Großbritannien – welches mit den schlechtesten Bestand hat. Es wäre daher zu ergründen welche Länder die ebenfalls Gas aus Rußland importieren am meisten weitere Einsparungspotentiale bieten. Auch sollte dabei beachtet werden, daß Länder Europas unterschiedliche Gaskontrakte mit jeweils unterschiedlichen Bezugspreisen haben. Also würde es sich lohnen für Europa zu schauen wo kurzfristig der höchste Verlust an Einnahmen für den Exporteur entsteht. Deutschland und andere „Vorreiter“ in Sachen energieeffiziente Gebäude können hierbei wertvolle Dienste in Sachen Wissens- und Materialtransfers an Baubetriebe und Handwerksbetriebe in unterentwickelten Regionen leisten.

In Deutschland gibt es noch einen Altbaubestand, der sicher noch einige energetische Sanierungen zulassen dürfte, nachdem das europäische Ausland ebenfalls mit starken Erdgasbezug aus Rußland auf aktuellen Stand energetischer Sanierung gebracht wurde.

3.3.2 Warmwasserbereitung mit PV Strom, Wärmepumpen mit PV Strom

Vorweg bliebe immer noch zu erwähnen, daß wirtschaftlich sinnvoller Betrieb einer Wärmepumpe nur bei einer bestens isolierten Wohnung möglich ist. Auch ist zu bedenken, daß in nördlichen Ländern die Wintertage recht kurz sind und zudem in Nordeuropa oft recht dunkel aufgrund von Bewölkung, Nebel, Regen, Schnee, usw. Die PV Stromausbeute in Deutschland ist im Mittel nur bei 20-30 kW/h pro kWPeak in den Monaten November bis Januar, also kaum geeignet um damit auch eine gut isolierte Wohnung per Wärmepumpe zu beheizen. Anders könnte es bei der Unterstützung der Warmwasserbereitung sein.


Weitere Links/Informationen (wird laufend aktualisiert werden) 




         The EU without Russian oil and gas  [Guntram B. Wolff, bruegel.org, 5.4.2022]


"Ecke der Warner" 



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Zeitenwende: Wichtigste Aufgaben für das Nachkriegsdeutschland steht jetzt an Teil I -Erdgas

Plötzlich und für viele unerwartet bricht nur wenige hundert Kilometer von den Ostgrenzen Deutschlands der größte Krieg auf europäischen Bod...